Das Ende der Übersichtlichkeit

07.07.2007

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Neuss Die katholische Kirche im Erzbistum bleibt im Umbruch. Nachdem die Veränderungen, die das finanzielle Sicherungskonzept „Zukunft heute“ den Gemeinden und Seelsorgeverbänden abgefordert hat, kaum umgesetzt sind, geht es nun in einem weiteren Schritt um die Frage: Fusion zur Großgemeinder oder Umgestaltung der Seelsorgebezirke zu Pfarreiengemeinschaften?

Wobei Erzbischof Joachim Kardinal Meisner keinen Hehl daraus macht, dass die Fusion aus seiner Sicht das bevorzugte Modell ist. Der Pfarrverband, das Miteinander von Gemeinden in einem Seelsorgebezirk, die jede einen eigenen Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand haben, ist jedenfalls ein Auslaufmodell - auch wenn 160 Seelsorgebereiche im Bistum derzeit so verfasst sind.

Schärfe bekommt das Thema durch die Vorgabe des Kölner Erzbischofs, die Zahl der Seelsorgebezirke, mit deren Einrichtung vor sieben Jahren begonnen wurde, von derzeit 221 auf 180 zu reduzieren. Das wird Auswirkungen auf den Seelsorgebereich St. Marien und die Seelsorge in Kaarst haben, sind die Mitglieder des Katholikenrates Neuss überzeugt, die am Donnerstagabend beschlossen, das Thema öffentlich zu machen. Fünf Tage vor der Einführung von Monsignore Guido Assmann als neuer Kreisdechant wird der Katholikenrat am Dienstag, 7. August, den Ehrenamtlern in Pfarrgemeinderäten und Kirchenvorständen vorstellen, was bislang unter dem Schlagwort „Pastoralplan 2020“ vor allem Priester- und Diözesanrat beschäftigt hat. Die Einladung ist eine Offensive und wird nicht ohne Zorn ausgesprochen, denn der Katholikenrat sieht das Generalvikariat in einer Bringschuld. „Leider sind“, so Cornel Hüsch, „aus den schlechten Erfahrungen mit Zukunft heute keine Konsequenzen gezogen worden.“

Die Verschmelzung von Gemeinden - nach Überzeugung von Pfarrer Jochen Koenig dauert das „eine Generation“. Aber die Zeit hat die Kirche nicht. Einerseits, weil die Zahl der Priester von aktuell knapp 570 auf 400 im Jahr 2020 zurückgehen wird. Und von diesen wird nur jeder zweite als leitender Pfarrer zur Verfügung stehen. Andererseits sollen endlose Strukturdebatten vermieden werden. Daraus resultiert die Vorgabe, die Strukturreform bis zum 1. Januar 2011 umzusetzen. Oder eher. Weiter legt der Erzbischof fest, dass bei denen nächsten Pfarrgemeinderatswahlen im Jahr 2009 in jedem Seelsorgebereich nur noch ein Pfarrgemeinderat gebildet wird.

An diesem Punkt macht sich eine große Sorge des Katholikenrates fest. „Wir müssen auf viele Ehrenamtliche verzichten, für die einfach kein Platz mehr sein wird“, hält Hüsch fest. Er schätzt, dass die Reduzierung der Pfarrgemeinderäte auf einen pro Seelsorgebezirk, dem bei einer Fusion auch die Reduzierung auf nur noch einen Kirchenvorstand folgen würde, 200 bis 300 besonders engagierte Christen in den beiden Neusser Dekanaten rausdrängt. Und er wie auch Jochen Koenig fürchten einen Verlust an Übersichtlichkeit und Identifikation, wenn alles Großgemeinde wird. Warum, so wird deshalb am 7. August gefragt, denkt man in Köln nicht in andere Richtungen? „Können nicht auch Diakone oder Laien eine Gemeinde leiten?“, fragt Hüsch, der auch ein neues Nachdenken über die Ordination von Frauen anregt.

Die Strukturreformdebatte wird im Herbst weiter geführt. Bis dahin, so erklärte Stephan Georg Schmidt als Sprecher des Erzbistums, wird neben der Fusion auch die Möglichkeit offen gehalten, das Modell Pfarreiengemeinschaft zu wählen. Es deute viel darauf hin, dass an dieser Offenheit festgehalten wird. „Die letzte Entscheidung liegt aber natürlich beim Kardinal“, sagt Schmidt.