Das Neusser Münster zählt zu den bedeutendsten spätromanischen Kirchen im Rheinland. Die Grundsteinlegung erfolgte am 9. Oktober 1209, dem Fest des Frankenpatrons Dionysius. Eine steinerne Urkunde im südlichen Seitenschiff – neben dem Schützenportal – erinnert an dieses Ereignis und nennt die Hauptbeteiligten. Knapp fünf Jahrzehnte später war das Bauwerk, dessen großartige fünfschiffige Krypta im Kern noch aus dem 11. Jh. stammt, vollendet. Verschiedene Vorgängerbauten sind belegt, so eine spätantike cella memoria aus der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts auf römisch-fränkischem Gräberfeld und eine dreischiffige karolingische Basilika des 9. Jahrhunderts über einer dreischiffigen Krypta.
Bis in die beginnende Neuzeit füllten Pilgerströme aus ganz Europa das Gotteshaus. Ziel waren die Gebeine des hl. Quirinus, eines römischen Offiziers, der im 2. Jh. zur Zeit des Kaisers Hadrian den Märtyrertod erlitt. Als eines der großen Pilgerziele des späten Mittelalters verdankte die Stadt ihrem Stifts- und Stadtpatron Ruhm und Wohlstand. 1741 zerstörte ein Brand die westlichen und östlichen Turmhelme. Der Wiederaufbau schuf das noch heute charakteristische Erscheinungsbild des Münsters mit dem pyramidenförmigen Turmabschluß im Westen und der süddeutsch anmutenden östlichen Kuppel, die das von einem Kölner Kupferschmied gefertigte, ehemals vergoldete Standbild des hl. Quirinus trägt.
Im Innern erlebt der Besucher den großartigen Raumeindruck einer gewölbten Pfeilerbasilika mit Emporen. Unverkennbar ist der Einfluß der beginnenden Gotik. Anders als ihre Kölner Vorgänger ist die Neusser Kirche höher und schlanker, aber auch stärker lichtdurchflossen. Die in den letzten Jahren erfolgte Restaurierung unter Architekt W. Nitsch erneuerte das Farbenspiel der Bögen und Gurte aus staufischer Zeit.
In Korrespondenz dazu steht die behutsame Ausstattung, deren bemerkenswerteste Stücke ein aus der Kölner Ablasskirche stammendes Gabelkreuz – um 1580 – und ein spätgotisches Standbild des hl. Quirinus, ebenfalls von einem Kölner Meister geschaffen, bilden.
In jüngster Zeit hat sich die kunstwissenschaftliche Aufmerksamkeit vermehrt auf den Quirinusschrein von 1900 gerichtet. Der in der östlichen Konche des Kleeblattchors aufgestellte Schrein wurde in der Aachener Goldschmiedewerkstatt Witte nach mittelalterlichen Vorbildern angefertigt und gilt mit seinem reichen ikonographischen Programm als eine der bedeutendsten Arbeiten des späten Historismus.
Oft verkannt wird das Chorgestühl mit seinen qualitätvoll geschnitzten Wangen und Miserikordien. Es reiht sich ein in die Tradition der berühmten rheinischen Chorgestühle von Köln und Xanten.
Das 20. Jh. fügte der Ausstattung die überlebensgroße Figur des hl. Christophorus von Hein Minkenberg sowie Altar, Sakramentshaus und Schützenportal des Kölner Künstlers Elmar Hillebrand hinzu. Hermann Gottfried schuf 1996 das Michaelsfenster über dem Westportal.
Beim Einbau einer neuen Fußbodenheizung fand man im südlichen Seitenschiff nahe dem Querhaus einen Sarkophag mit den sterblichen Überresten einer Äbtissin. Er steht jetzt in der Totengedächtniskapelle neben dem Westportal, wahrscheinlich ein Werk der Spätantike. Sein Deckel ist jüngeren Datums; er kam wohl erst ca. 200 Jahre nach dem Tod der Äbtissin darauf. Das einzige vergleichbare Parallelstück dazu befindet sich im Dom zu Bremen und stammt aus dem Jahre 1036.
Das Quirinus-Münster besitzt die nach der Kölner Domorgel größte Orgel im Erzbistum. – Ein nach dem Brand von 1914 neu angeschafftes großes Geläute fügt sich harmonisch in den Klang der übrigen Neusser Stadtglocken ein.
St. Quirin ist die Heimatpfarre des 1978 verstorbenen Kölner Erzbischofs Josef Kardinal Frings.