Ambulanter Hospizdienst Neuss: Ein besonderes Ehrenamt
21.12.2025
Manche Ehrenamtliche lesen Kindern vor, manche geben Fußballtraining. Und manche finden Erfüllung darin, die Hand eines Sterbenden bis zum letzten Atemzug zu halten. Reinhard Sternberg ist einer von ihnen. Seit dreieinhalb Jahren begleitet der Neusser schwerkranke Menschen im Ambulanten Hospizdienst der St. Augustinus Gruppe.
Warum ausgerechnet dieses Ehrenamt? „Ich habe vor etwa 15 Jahren eine sehr enge Angehörige verloren. Danach habe ich mir selbst einen Brief geschrieben und mich gefragt, was ich in diesem Leben noch erleben will“, erzählt Reinhard Sternberg. Der Wunsch, anderen etwas zurückzugeben, ließ ihn nicht mehr los. Als er in den Ruhestand ging, war klar: Jetzt ist der Moment gekommen. Was er seither erlebt, beschreibt er so: „Man bekommt sehr viel zurück, wenn man sich einlässt, zuhört und bereit ist, auch etwas von sich selbst zu zeigen.“
Der Ambulante Hospizdienst wurde 2002 gegründet. Er gehört zu einem Netzwerk aus Hausärzten, Pflegediensten, Seelsorge und spezialisierten Palliativteams. Ehrenamtliche wie Reinhard Sternberg besuchen schwerstkranke Menschen zu Hause, in Pflegeeinrichtungen oder im familiären Umfeld. Sie hören zu, begleiten zu Terminen, nehmen sich Zeit für das, was gerade wichtig ist. Es gibt keinen festen Ablauf. Jede Begleitung ist anders. Das Angebot ist für die Erkrankten und ihre Angehörigen kostenfrei.
Zurzeit sind 25 Ehrenamtliche im Dienst. Sie bringen unterschiedliche Erfahrungen mit, aber einen gemeinsamen Antrieb: Menschen in der letzten Lebensphase beizustehen. Dabei begegnen sie ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten. „Manche sprechen über Abschied oder Themen, die in der Familie noch offen sind“, sagt Reinhard Sternberg. „Manche sorgen sich, ob sie eine Last sind. Andere fragen, wie es weitergeht oder was noch kommt. Und manchmal geht’s einfach nur darum, dass jemand da ist und die Hand hält.“
„Für uns als christlicher Träger ist dieses Ehrenamt ein ganz konkreter Ausdruck von Caritas, also von tätiger Nächstenliebe – direkt vor Ort, hier bei uns in Neuss. Wir begleiten Menschen am Lebensende, weil jeder Mensch Nähe, Würde und Beistand verdient. Gerade dann, wenn es schwer wird. Und wir lassen auch die Angehörigen in dieser Zeit nicht allein – ihre Begleitung ist uns genauso wichtig. Deshalb ermöglichen und stärken wir dieses Engagement: Damit niemand in dieser Zeit allein bleibt“, sagt Andreas Degelmann, Gesamtgeschäftsführer der St. Augustinus Gruppe.
Die Einsätze der Ehrenamtlichen werden seit Oktober 2025 von Marlene Scheuerer koordiniert. Sie ist Ansprechpartnerin für Ehrenamtliche, Angehörige und Kooperationspartner. Neben der Organisation begleitet sie das Team fachlich – und besucht selbst Patienten. Die direkte Begleitung bleibt für sie ein wichtiger Teil der Arbeit. Nicht, weil es eine Pflicht wäre, sondern weil es ihr ein Anliegen ist.
Was sie daran schätzt, ist die Offenheit. „In der Sterbebegleitung fällt vieles weg, was sonst den Alltag bestimmt“, sagt sie. „Man begegnet sich direkter, offener und oft ohne große Umwege.“ Für Marlene Scheuerer ist das ein Geschenk. Und ein Grund mehr, selbst immer wieder mitzugehen.
Neue Ehrenamtliche werden in einem mehrmonatigen Kurs auf ihre Aufgabe vorbereitet. Sie lernen die Grundlagen der Hospizarbeit kennen, üben Gesprächsführung und reflektieren ihre Rolle. Auch nach dem Einstieg bleiben sie im Austausch. Es gibt Fortbildungen, regelmäßige Treffen und Supervision durch hauptamtliche Fachkräfte.
Seit 18 Jahren lebt Marlene Scheuerer als Ordensschwester in der Jerusalemgemeinschaft – zunächst in Paris, dann in Florenz und nun in Köln. Ihre Haltung ist offen. „Am Lebensende geht es darum, den Menschen in seiner Würde zu sehen und ihm das zu geben, was er braucht. Ganz unabhängig von Religion.“
Sie möchte den Dienst in der Region besser vernetzen. Der Ambulante Hospizdienst arbeitet bereits eng mit Pflegeeinrichtungen und dem Augustinus Hospiz zusammen. In vielen Einrichtungen stellt Marlene Scheuerer den Dienst derzeit persönlich vor. Eine Begleitung durch Ehrenamtliche kann Angehörige wie Pflegepersonal entlasten.
Auch nach dem Tod endet das Angebot nicht. In Einzel- oder Gruppengesprächen bietet der Dienst Trauerbegleitung an. Hinterbliebene finden hier einen Ort für Erinnerungen, Fragen und den Umgang mit dem Verlust, begleitet von speziell geschulten Ehrenamtlichen.
Und es wird noch weitere ehrenamtliche Unterstützung gesucht: Wer sich für die Arbeit des Ambulanten Hospizdienstes interessiert, kann sich an Marlene Scheuerer (Tel. 02131-9168450) wenden. Viele Wege führen zu einer ersten Begegnung. Und manche davon führen ans Lebensende eines Menschen, den man wenige Tage zuvor noch nicht kannte.