Kardinal Lehmann

13.06.2007

13.06.07 - Krakau (KNA) Kardinal Karl Lehmann hat die besondere, wertstiftende Bedeutung der christlichen Kirchen im modernen Staat betont. Angesichts des Schwindens gesellschaftlichen Zusammenhalts dienten die Kirchen dem Gemeinwohl, wenn sie den verantwortlichen Repräsentanten des Staates ins Gewissen redeten, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Mittwoch bei einem Vortrag an der Universität Krakau. Maßvoll im Ton und stets selbstkritisch müssten die Kirchen ein "prophetisches Wächteramt" wahrnehmen.

Lehmann betonte, zwar falle die Rolle der Sinnstiftung nicht allein der Religion und der Kirche zu; hier seien auch andere gesellschaftliche Kräfte wie Kunst, Wissenschaft oder Medien gefragt. Zweifellos hätten Ethik und Religion, "deren Träger besonders auch die Kirchen sind", aber eine besondere Funktion.

Zugleich sprach sich der Kardinal für ein Modell der umfassenden "positiven Religionsfreiheit" aus. Diese erschöpfe sich nicht in der bloßen neutralen Toleranz des Staates für alle Religionen.

Vielmehr müsse der Staat den christlichen Kirchen einen "aktiven Raum" offen halten, "in dem diese sich selbst nach ihren Vorstellungen einbringen und betätigen können". Es liege im Interesse des Staates, für eine "positive Gebundenheit des Gemeinwesens zu sorgen, gerade wenn er selbst kein Sinnproduzent sein kann".

Verknüpfung von Christentum und Rechtskultur

Lehmann wies in diesem Zusammenhang den Vorwurf zurück, die christlichen Kirchen seien in Deutschland durch ihre besondere staatskirchenrechtliche Stellung etwa gegenüber dem Islam bevorzugt. Er verwies auf eine tiefe kulturelle Verknüpfung des Christentums und der Rechtskultur. Bis in die Gegenwart habe das Christentum Deutschland und Europa stark geprägt. Vor diesem Hintergrund sei der besondere Status der Kirchen als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verstehen. Die Neutralität des Staates im Blick auf die einzelnen Religionen dürfe nicht mit Gleichgültigkeit verwechselt werden, so der Kardinal.

Mit Blick auf muslimische Forderungen, auch dem Islam in Deutschland diese herausgehobene Rechtspersönlichkeit zu gewähren, sagte Lehmann, diese könne nicht "beliebig" verliehen werden. Dennoch sei es grundsätzlich möglich, auch anderen Religionen und Kirchen diesen Körperschaftsstatus zu gewähren, "wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten".

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hielt seinen Vortrag zum Staat-Kirche-Verhältnis zum Abschluss eines Universitätskurses der Schule des Deutschen Rechts an der Krakauer Jagiellonen-Universität.

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