Gloria in excelsis Deo!

24.12.2007

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NGZ

Kreisdechant Msgr. Guido Assmann schrieb in diesem Jahr einen Artikel für die Titelseite der Neuss-Grevenbroicher Zeitung vom 24. Dezember 2007. katholisch-in-neuss.de dokumentiert diesen Text:


Als die Zeit erfüllt war

Es gibt wohl kaum ein anderes Fest im Laufe des Jahres, das so die Gemüter anspricht und so mit Traditionen gefüllt ist, wie das Weihnachtsfest. Von den einen herbeigesehnt, von den anderen gefürchtet, aber insgesamt unumstritten das Fest Nummer ein. Sicher sind es vor allem die Kinder, die sich auf Weihnachten freuen, denn es gibt Geschenke, Ferien und die Stimmung ist einfach schön. Doch genau das fürchten wiederum die anderen, die Einsamen, die alleine zu Hause sitzen und diejenigen, die Angst davor haben, dass die angespannte Stimmung in der Familie zum Ausbruch kommt. Und doch: Weihnachten ist unumstritten die Nummer eins. Seit Wochen haben sich unsere Straßen und Geschäfte verändert, seit Wochen werden selbst dunkle Gassen und kleine Plätze beleuchtet, ist der kleinste Vorgarten und das ansonsten unansehnlichste Häuschen geschmückt mit den schönsten Lichterketten. Glühwein und Weihnachtsmarkt, Mitarbeiteressen und volle Innenstädte gehören dazu. Hektik macht sich breit in den letzten Tagen des Advents, und dann ist es endlich da, das Weihnachtsfest. Was sonst kein anderes Ereignis landesweit, ja Länder übergreifend schafft, schafft dieses Fest: Das öffentliche Leben kommt zur Ruhe, das Private gewinnt die Oberhand, der Heilige Abend mit seinen manchmal schon Generationen überdauernden Traditionen hat seine eigenen Regeln. Die Kirchen füllen sich, die Menschen suchen nach etwas, das ihren Alltag überhöht, suchen etwas, das außerhalb des Alltäglichen liegt, ja sogar außerhalb dieser Welt. Weihnachten überhöht den Menschen, hebt ihn über das hinaus, was er sonst alltäglich erfährt. Und dabei ist es kein pompös daherkommendes Ereignis, sondern eines, das in der Stille der Nacht geschehen ist, ein Kind wird geboren unter ärmlichen Verhältnissen.

Sehnsucht wird greifbar
Was ist es nun, das Weihnachten zur ungeschlagenen Nummer eins macht? Ist es wirklich das Kind, das in Bethlehem geboren wurde? Ist es die Menschwerdung Gottes? Ist es eine tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit, wie wir sie als Kinder erfahren haben im Hause der eigenen Familie? Sicher ist es unbestritten, dass die Grunderfahrungen, die wir als Kinder machen, unser ganzes Leben prägen. Doch ich möchte die These aufstellen, dass die Sehnsucht des Menschen noch tiefer geht als in eine sentimentale Rückschau auf die eigene Kindheit. Ich glaube, dass es zur Grundanlage des Menschen gehört, über sich selbst hinaus zu steigen, die eigene Herkunft zu ergründen, nach dem Sinn des Lebens zu fragen und das Ziel erahnen zu wollen. Wenn wir diese Frage zulassen, dann sind wir ganz schnell bei der Frage nach Gott. Hier mögen sich nun die Geister scheiden. Für mich ist Weihnachten feiern ohne Gott zu feiern undenkbar. Wenn wir äußere Formen festhalten, den Inhalt aber entleeren, dann fehlt das Eigentliche. Und vielleicht ist es das, was es manchen schwer macht, das Weihnachtsfest zu feiern. Wir haben, ohne es zu merken, unsere Feste selbst entleert. Wir haben die Zeit der Vorbereitung unerträglich verlängert und angefüllt, so dass für viele von uns am 27. Dezember Weihnachten endgültig vorbei ist. Wir haben vielfach die Vorbereitungszeit zur eigentlichen Festzeit gemacht, aus dem Advent die Vorweihnachtszeit, und somit den Advent als stille Zeit übersprungen und mit Lärm und Hektik erfüllt, so dass wir die Ruhe nicht mehr aushalten können. Wir haben die tiefen Sehnsüchte des Menschen beantwortet mit schneller Befriedigung. Wir sehnen uns nach Frieden, und versuchen zwei Tage ohne Streit auszukommen. Wir sehnen uns nach Leben in Fülle und kaufen Geschenke für viel Geld, wir sehnen uns nach Geborgenheit und suchen diese für zwei Tage in einer heimeligen Umgebung. Nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen. Die Sehnsüchte sind in uns, und Sehnsucht zu haben ist gut, weil wir so offen sind für etwas Größeres und über uns hinausschauen können. Nur dürfen wir uns nicht begnügen mit der kurzzeitigen Stillung unserer Sehnsüchte.

Gott bricht ein in unser Leben
In der dunklen Jahreszeit, dann, wenn die Nächte am längsten sind, feiern wir das Weihnachtsfest. Die Heilige Schrift berichtet uns, dass in der Nacht das Kind geboren wurde, das wir Christen als den Erlöser der Welt, als den Sohn Gottes bezeichnen. Gehört das Weihnachtsfest auch nicht zu den ältesten liturgischen Festen im Kirchenjahr, so hat es doch seinen Platz gefunden. Der unsichtbare Gott erscheint sichtbar als Mensch. So unspektakulär dies auch geschehen ist, in der Nacht, außerhalb der großen Metropolen und Städte, nur einfache Menschen, die Hirten in der Nähe, es ist das Eingreifen Gottes in das menschliche Leben. Mit der Menschwerdung Gottes und der Geburt seines Sohnes beginnt eine neue Zeitrechnung. Die Sehnsucht des Volkes Gottes nach Erlösung wird erfüllt in diesem Kind. Eltern werden die Erfahrung sicher am besten nachvollziehen können, was es bedeutet, wenn ein Kind geboren wird. Es ist jedes Mal ein kleines und zugleich großes Wunder. In das Kind werden alle Hoffnungen auf einen Neuanfang gesteckt. Was bei der Geburt eines jeden Menschen gilt, gilt insbesondere für Gott. Mit dem Erscheinen der zweiten Person der Gottheit im Fleisch, der Geburt des Sohnes Gottes aus dem Vater bekommt die Menschheit eine neue Chance. Die Schöpfung erlebt einen Neuanfang, alle Wunden der Schöpfung werden geheilt. Wer von uns wünscht sich nicht auch hin und wieder die Möglichkeit eines Neuanfangs und einen, der alle Wunden heilt?

Neuanfang ist möglich

Die menschliche Erfahrung zeigt, dass wir alle begrenzt sind. Wir streben zwar nach dem Höheren, nach dem Größeren und erreichen auch so manches in unserem Leben. Wir können sogar über uns selbst hinaus denken. Aber wir alle erreichen irgendwann unsere eigenen Grenzen. Ein Kind möchte groß sein, ein Sportler alle Rekorde brechen, der Mensch immer gesund und jung bleiben. Auf der einen Seite also kennen wir alle das Streben nach dem Größeren, die Sehnsucht nach der Fülle. Auf der anderen Seite, blicken wir oft sehnsüchtig zurück, wenn so manches nicht mehr geht. Und dann kommt hin und wieder der Wunsch auf, wie schön es wäre, noch einmal ganz neu anfangen zu können. In so manchen Talkshows wird genau diese Frage gestellt: Was würden Sie anders machen, wenn Sie noch einmal neu anfangen könnten?
Was uns aus eigener Kraft nicht gelingt, das kann Gott und das zeigt er uns in der Heiligen Nacht: Gott wagt einen Neuanfang mit uns. Dieser Neuanfang kann aber nur gelingen, wenn wir uns auf das Kind einlassen und uns zu ihm bekennen. Gott hat uns nicht abgeschrieben wegen all unserer Schuld. Er hat die Nähe zum Menschen gesucht. Das Kind möchte irgendwann ohne die Hand der Eltern laufen, und manchmal fällt es hin. Der Mensch möchte manchmal ohne die Hand Gottes laufen und fällt dabei ganz oft hin, nämlich immer dann, wenn nicht mehr Gott in der Mitte steht, sondern das eigene Ich; Wenn Egoismus größer geschrieben wird als Menschlichkeit; Wenn Profit wichtiger ist, als das Teilen der Güter; Wenn das Leben des Menschen nur einen Wert besitzt, wenn er produktiv ist. Indem Gott Mensch wird, begibt Gott sich in diese Erfahrungswelt und bietet sich uns neu an. So wie die Eltern ihr Kind weiter im Auge behalten, auch wenn es selber und alleine laufen möchte und wie Eltern alles daran setzen, das Kind vor Gefahren zu schützen, auch wenn das Kind meint, das nicht zu brauchen, so wirbt Gott um unsere Liebe und setzt sich für uns ein.

Licht in die Dunkelheit des Lebens
Jesus tritt nicht wie ein großer Herrscher auf, sondern kommt ganz unscheinbar. Sein Lebensweg ist nicht nur von Erfolg gekennzeichnet, sondern vom Anfang bis zum Ende mit Widerspruch gepflastert. Vielleicht liegt gerade hierin die Chance, dass die Botschaft Gottes beim Menschen ankommen kann. Denn in der Geschichte von der Geburt eines Kindes und von den einfachen Verhältnissen drum herum, fühlen wir Menschen uns, egal welchen Standes, welchen Alters und welcher gesellschaftlichen Stellung angesprochen. Vielleicht liegt auch darin begründet, dass Weihnachten das Fest Nummer ein geworden ist, obwohl es erst im 5. Jahrhundert Einzug in die Liturgie der Kirche gefunden hat. Mitten in der dunkelsten Jahreszeit kommt ein Lichtblick von oben. Gerade in den schwierigsten Momenten unseres Daseins sagt uns Gott, dass er uns nicht vergessen hat.

Schritte auf dem Weg des Friedens
Nun also steht das Weihnachtsfest unmittelbar bevor. Auf den Straßen wird es ruhiger, die Hektik legt sich langsam und es legt sich eine Stimmung über unser Land, die es so nur einmal im Jahr gibt. In der kommenden Nacht strömen viele Menschen in die Kirchen und hören von dem Kind, das geboren wurde in Bethlehem. Wir singen die alten Lieder der Hoffnung und wünschen uns ein friedvolles Weihnachtsfest. Hat sich dann unsere ganze Sehnsucht erfüllt? Sind damit alle Probleme dieser Welt gelöst? Ganz bestimmt nicht. Der Alltag kommt wieder und auch an diesem Weihnachtsfest werden auf dieser Welt Menschen sterben, Menschen sich streiten, Menschen Mutlos zu Hause sitzen. Ist denn dann alles umsonst? Ist unsere Sehnsucht nur eine Illusion? Wer an Weihnachten nur die äußere Hülle feiert, wer den Sinn aus dem Fest streicht und nur nach einem Moment der Pause und des Glücksgefühls sucht, der wird enttäuscht werden. Ich bin mir aber sicher, wer an Weihnachten wirklich das Eingreifen Gottes in die Menschheitsgeschichte feiert, in dessen Leben ändert sich etwas, der lässt sich leiten auf die Wege des Friedens, wie es im Lukasevangelium heißt (Lk 1,78f). Gott kennt unsere Sehnsüchte. Und so komme ich auf meine Ausgangsthese zurück: Unsere Sehnsucht ist tief wurzelt im Wunsch des Menschen, über sich hinaus zu steigen und sich auszustrecken nach dem Göttlichen Ursprung. Diese Anlage gehört zum Menschen. Wer also seine Sehnsucht an Gott festmacht, der wird nicht enttäuscht, weil er sich nicht von irdischen Erfüllungen blenden lässt. Wer die Erfüllung seiner Sehnsucht in Gott sucht, der lässt sich gerne leiten von Gott. Und da Gott es gut mit uns meint, wird er, in aller Freiheit, die der Mensch hat, unsere Schritte lenken auf den Weg des Friedens.

So wünsche ich allen, die den Weg der Nachfolge Jesu Christi mitgehen möchten, das tiefe Verlangen, die Sehnsucht nach dem kommenden Heil und die Kraft, den Frieden, also Gott in dieser Welt zu bezeugen. Allen, die den Glauben an Jesus Christus nicht mit uns teilen, wünsche ich, dass auch in Ihnen der Friede Gottes ankommt. Sehsucht ist ein großer Motor, der uns nicht ruhen lässt, bis die Sehnsucht erfüllt ist. Und diese Erfüllung hat Weihnachten einen Namen bekommen: Jesus Christus. Sein Friede sei mit allen!