Wahlen in Neuss: Wenden junge Menschen sich ab?

10.03.2025

Die Wahl zum Bundestag ist gerade erst vorbei, da folgt in Neuss die nächste: Am 15./16. März ist ein „Super-Wahltag“. In der neuen Großgemeinde St. Quirinus werden zwölf Gemeindeteams, ein gemeinsamer Pfarreirat und der Kirchenvorstand gewählt (katholisch-im-rhein-kreis-neuss.de berichtete darüber).

Die gute Nachricht: Es gibt in allen Gemeinden Menschen, die sich engagieren möchten. Ehrenamtlich, ohne Lohn, für die gute Sache. Aber beim Blick auf die Kandidatenlisten fällt auf: Es fehlt an jungen Menschen. katholisch-im-rhein-kreis-neuss.de analysierte die Vorschläge für alle Wahlen und stellte fest:

  • Von den insgesamt 69 Personen, die Mitte März kandidieren, ist nur ein einziger Kandidat jünger als 40 Jahre, nur ein Fünftel hat das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet. 
  • Das Durchschnittsalter der Kandidaten für Pfarreirat und Gemeindeteams liegt bei 60,3 Jahren. Zum Vergleich: Im neuen Bundestag liegt es bei 47,1 Jahren – also gut 13 Jahre darunter.

Dass ehrenamtliches Engagement mit steigendem Alter zunimmt, ist statistisch erwiesen und eine normale gesellschaftliche Entwicklung. Wenn die Zeiten von Familiengründung und beruflicher Entwicklung vorbei sind, bleibt mehr Raum, um sich in Kirchen, Vereinen, Parteien etc. zu engagieren. Ganz besonders gilt das für Menschen im Ruhestand. Und wenn ältere Menschen ihre Kenntnisse und Erfahrungen in die kirchliche Gremienarbeit einbringen, ist das sicherlich auch gut.

Es stellt sich aber eine Frage: Wer bringt die Perspektiven von Jugendlichen, jungen Erwachsenen, Menschen in Ausbildung und Studium oder in der Phase der Familiengründung ein? Wer sorgt für neue Ideen und frische Impulse, schlägt die Brücke zu jungen Gläubigen, versteht ihre Lebenswelt und kann helfen, Kirche relevanter für sie zu machen? Das haben wir Andreas Süß, Pfarrer der Großgemeinde St. Quirinus, gefragt. Er erklärt, dass es im Pastoralteam einen hauptamtlichen Jugendreferenten gibt, und betont das Engagement der Jugendseelsorger, die sich für die Jugendpastoral einsetzen und auch mit Schulen zusammenarbeiten. Darüber hinaus kündigt er eine Ausweitung der Kinder- und Jugend-Chorarbeit an.

Auf der Suche nach Ursachen haben wir uns bei der Katholischen Jugendagentur Düsseldorf (KJA) umgehört. Stephan Schneider, Fachbereichsleitung Territoriale und Verbandliche Jugendarbeit, weist darauf hin, dass es für Jugendliche viele attraktive Alternativen gibt, ihre Freizeit zu verbringen. Die Bindung an und Identifikation mit Organisationen wie der Kirche habe abgenommen – allerdings nicht nur bei Jugendlichen. Und wer sich engagiert, der tue das lieber im direkten Umfeld als auf höheren Ebenen, wie sie durch immer größere pastorale Einheiten entstanden sind. Letzteres kann auch Pfarrer Süß bestätigen.

Wie kann man das ändern? „Die jungen Menschen müssen das Gefühl haben mitbestimmen zu können und durch ihr Engagement auch sichtbar etwas zu bewirken“, sagt Thomas Isop-Sander, Geschäftsführer der Jugendagentur. Sie wollten einen Mehrwert haben und einen Nutzen erfahren. Allerdings werde gerade die Kirche von vielen Jugendlichen nicht als demokratischer Ort wahrgenommen. Vielmehr herrsche die Wahrnehmung vor: „Im Letzten entscheidet ja doch der Bischof oder der Pfarrer.“ 

Wenn junge Menschen sich abwenden, geht nicht nur der Kirche etwas verloren, sondern auch der gesamten Gesellschaft. Denn das Engagement in kirchlichen Gremien hilft jungen Menschen, demokratische Strukturen kennenzulernen und Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln. Nicht selten setzt sich das später in anderen Vereinen oder politischen Parteien fort. Dieser Lernprozess könne allerdings auch außerhalb von Vorständen und Beiräten stattfinden, heißt es bei der KJA. Jugendverbandsgruppen z.B. mit selbstgewählten Pfarrleitungen seien klassische Lernfelder der Demokratie. Und wo mehrere Jugendliche gemeinsam in Gremien mitarbeiten, dürfte das attraktiver wirken, als wenn sie als junge Menschen allein im Kreis vieler Erwachsener sind.